www.zeit-stiftung.deder ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd BuceriusnewsletterNr. 24 | Juni 2018ZEIT-Stiftung: Wenn Sie Musiker fotografieren – welche Rolle spielt bei Ihren Aufnahmen die Musik, die die Porträtierten machen?Anton Corbijn: Meine Begeisterung für eine bestimmte Musikrichtung und die Faszination, die Musiker auf mich aus-üben, die diese Musik machen, sind der Grund, warum ich über-haupt zur Fotografie gekommen bin. Die Musik muss mich schon ansprechen. Oft habe ich Anfragen von Musikern abge-lehnt, deren Musik mir nicht gefällt.ZEIT-Stiftung: Wann wird denn ein Foto Image-bildend – insbesondere wenn der Porträtierte verstorben ist – und womöglich zu einer Art Fetisch?Anton Corbijn: Künstler, die ihrer Zeit voraus waren, werden oft erst berühmt, nachdem sie tot, ja oft weil sie tot sind. Bilder werden ikonisch, wenn sie häufig und überall veröffentlicht wer-den, aber damit sie oft veröffentlicht werden, müssen sie auch etwas mit der Zeit zu tun haben. In meinem Fall hat der Selbst-mord von Ian Curtis, des Leadsängers von Joy Division, ein gu-tes Foto zu einem ikonischen Foto werden lassen.ZEIT-Stiftung: Berühren sich denn Ruhm und Tod?Anton Corbijn: Der Tod kann die Ursache von Ruhm sein. War jemand schon zu Lebzeiten berühmt, dann wirkt der Tod als Verstärker – durch die allgemein empfundene Tragik.ZEIT-Stiftung: Welchen Anteil hat die Fotografie an der Pro-minenz und Berühmtheit von Musikern?Anton Corbijn: Berühmtheit ist letztlich ein Konstrukt. Sie basiert auf etwas Neuem in einer Zeit, die reif ist, Neues aufzu-nehmen. Ein wichtiges Element dabei ist das ‚Image‘. Ich habe das Image für eine Reihe von Musikbands geschaffen, die auf der Suche nach etwas Neuem waren. Sie konnten sich darin Wiedererkennen. Wie groß genau der Anteil der Fotografie da-bei war, kann ich nicht sagen. Aber sie hat sicherlich eine wich-tige Rolle gespielt.ZEIT-Stiftung: Wo liegt die Grenze zwischen künstlerischer Fotografie einer berühmten Person und den Aufnahmen für deren Alben und Plakate?Anton Corbijn: Ich selbst mache da keinen Unterschied – ich versuche immer, das Beste zu geben. Funktional gibt’s viel-leicht einen Unterschied zwischen freier Arbeit und Auftragsar-beit. Das geht für mich ineinander über.ZEIT-Stiftung: Wenn Sie sich selbst fotografisch inszenieren – sind das Hommagen an die jeweils „angespielten“ Musiker? Sind es Zeichen der Verehrung oder der Metamorphose?Anton Corbijn: Ich versuchte mit der Serie „a. somebody“, die Sie ansprechen, mehr herauszufinden über die beiden Ob-sessionen, die für mich lebensbestimmend waren: die Obsessi-on meiner Eltern vom Leben nach dem Tod und meine Musik-Obsession – meine, in meiner Jugend geradezu verzweifelten Versuche, in dieser Welt jemand zu sein.„Trying to be somebody“ Gespräch mit Anton Corbijn anlässlich der Ausstellung „The Living and the Dead“ im Bucerius Kunst ForumAnton Corbijn (geb. 1955), Henry Rollins, El Mirage 1994, Leihgabe des Künstlers, © Anton Corbijn, 2018
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